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Call for Papers zur Tagung:

Medien des Lebens

Ort: Fakultät Medien der Bauhaus-Universität Weimar
Zeit: 26. – 29. Juni 2003
Veranstalter: Forschungsgruppe „Das Leben schreiben. Medientechnologie und die Wissenschaften vom Leben (1800 – 1900)“

Das moderne Wissen vom Leben hat sich seit dem 19. Jahrhundert in einem engen Wechselverhältnis zwischen life sciences und Medientechnologien formiert. Von Apparaturen und Instrumenten in physiologischen Labors über Techniken der Darstellung und Repräsentation bis hin zu einer umfassenden und vielseitigen Literatur reicht ein Medienverbund, der für die Konjunktur des Lebensbegriffs sowie für die weitläufige Zirkulation von Vorstellungen und Phantasmen über die Herkunft, das Wesen und die Gesetze des Lebens verantwortlich ist. Dabei geht es um das Aufschreiben elementarer Lebensäußerungen von Organismen ebenso wie um Modellbildungen, in denen man biowissenschaftliche Beobachtungen auf andere soziale oder technische Milieus überträgt. Dass das Vitale dabei überhaupt zu einem kulturellen Leitkonzept der Moderne werden konnte und in die verschiedensten Wissensgebiete und Disziplinen hinein wirkt, liegt nicht zuletzt an einer Konstellation, die mit der Frage, was das Leben sei, eine enge Verschränkung von technischen und diskursiven, wissenschaftlichen und ästhetischen Strategien aufgerufen hat. Die Kraft des „Lebens“ dokumentiert sich in zuckenden Froschschenkeln, sie koordiniert die Funktion von Zellen und Organen, sie treibt die Entwicklung von Arten und Individuen hervor und soll – seit dem 19. Jahrhundert – noch in den großen Schöpfungen der Geschichte, der Kultur und der Kunst erkennbar sein.

Diese Hinweise stecken ein Feld von historischen Themen, von sachlichen und methodischen Fragen ab, denen die Tagung „Medien des Lebens“ gewidmet sein soll. Es wird damit eine Perspektive nahe gelegt, in der sich neuere Überlegungen aus den Bereichen von Wissenschaftsgeschichte und Medienwissenschaft miteinander verknüpfen. Auch die Formierung wissenschaftlicher Sachverhalte verlangt demnach eine Analyse jener technischen, symbolischen und medialen Bedingungen, unter denen ein neues Wissen sich konstituiert, durchsetzt und in Umlauf gerät. Und gerade die Lebenswissenschaften lassen sich nicht von der Gesamtheit diskursiver, technischer und ästhetischer Verfahren trennen, die einen eigenen Objektbereich, mithin eine Kodierung des Lebens und seiner diversen Äußerungen garantieren. Die historische Sichtung des Zusammenhangs von Leben und Medien soll darum die Betrachtung von Laborexperimenten und wissenschaftlichen Diskursen ebenso einschließen wie die Darstellungsweisen in Kunst und Literatur. Dabei werden folgende Aspekte im Mittelpunkt stehen:

  1. Das Wissen vom Leben und seine Epistemologie
    Das Leben ist weder ein natürlicher Gegenstand noch ein vorgängig gegebenes Objekt der Wissenschaften. Vielmehr wird es auf eigentümliche Weise durch ein Gefüge aus Medien, Diskursen und Praktiken erzeugt. Welche Rolle spielen einerseits das Gefüge der materialen Kultur und andererseits ästhetische Kategorien wie Nachahmung, Fiktion oder Illusion bei der Konstituierung des epistemischen Objekts „Leben“? Wie verhält sich eine Geschichte von Präsentationsweisen in Experimenten, Laboratorien oder musealen Sammlungen zu einer Geschichte des Wissens vom Leben? Und wie wäre eine Geschichte des Wissens vom Leben zu schreiben, die nicht allein auf Fortschritt, Erkenntnisprogress und Wahrheit verpflichtet ist, sondern den wechselnden historischen Konstellationen und Regeln der wissenschaftlichen Aussagen­produktion Rechnung trägt?
  2. Medientechnologien
    Schrift- und Bildmedien, Aufzeichnungstechniken und Institutionen sind an der Herstellung, Verwaltung und Verbreitung eines Wissens vom Leben beteiligt. Und dieses Wissen ist durchaus von ästhetischen Verfahren und Entscheidungen geprägt, die mehr als nur unscharfe Nachbilder des szientifischen Diskurses sind. Damit stellt sich die Frage, wie der Lebensbegriff durch unterschiedliche Disziplinen und Bereiche wandert, und welche Transformationen er dabei erfährt. Wie konstituiert sich etwa ein Wissen vom Leben in jenen Darstellungen und Inszenierungsweisen, durch die verschiedene Prozeduren der Verbildlichung bestimmt werden? Wie prägen rhetorische Verfahren und performative Strategien die Versuchsanordnungen der Lebenswissenschaften und ihre Theoriebildungen? Wie stellen die Verwaltung der am Leben erhobenen Daten und verschiedene Aufzeichnungstechniken (Méthode graphique, Fotographie, Film) Evidenzen her? Und welches Unbewusste wird beim Zusammenschluss von Medientechnologie und life sciences erzeugt?
  3. Die Streuung des Wissens
    Das Leben wird seit dem 19. Jahrhundert ebenso zu einem statistisch berechenbaren Sachverhalt wie zu einer mythologischen Ressource. Das Wissen vom Leben tritt aus seinem disziplinären Zusammenhang heraus, streut in unterschiedlichste Disziplinen und Bereiche und übernimmt dort Funktionen, die weit über Analogiebildung oder wechselseitige Metaphorisierung hinaus reichen. Wie gelangen Begriffe der Lebenswissenschaften wie Evolution, Selbstorganisation oder Emergenz in historische, soziologische und philosophische Theoriebildungen, und welche Funktionen übernehmen sie dort? Wie sind Konzepte der Lebenswissenschaften (tierische Elektrizität, Sinneswahrnehmung, Reizleitung) an der Entstehung neuer Medientechniken beteiligt? Wie wird die Entwicklung optischer Geräte durch die lebenswissenschaftliche Forschung vorangetrieben? Welche Wissensformen und Mythologeme nähren das biopolitische Projekt der Moderne, das auf Kontrolle, Steigerung und Züchtung des Lebens zielt? Ließe sich in dieser Hinsicht von einem Leben der Medien sprechen?

Der Diskussion dieser Fragen ist die Tagung „Medien des Lebens“ gewidmet, die vom 26. bis 29. Juni 2003 in der Bauhaus-Universität Weimar stattfinden wird. Vorschläge für etwa 30-minütige Vorträge werden als Abstract (max. 2 Seiten) bis Montag, den 28. 4. 2003, postalisch oder per Email an die Forschungsgruppe „Das Leben schreiben“ erbeten. Weitere Informationen und das Programm der Tagung werden auf der Homepage der Forschungsgruppe (http://www.das-leben-schreiben.de) publiziert.

Email: kontakt@das-leben.schreiben.de
Postanschrift: Forschungsgruppe „Das Leben schreiben“
Fakultät Medien
Bauhaus-Universität
99421 Weimar
Telefon: +49/(0)3643-4946232
Telefax: +49/(0)3643-4946237