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Tagung

Politische Zoologie

Politische Zoologie, 20. - 22. April 2006

In der Entwicklungsgeschichte des politischen Denkens markieren die Ausgrenzungen der Tiere aus der politischen Ordnung immer zugleich ihren Einschluss. Das verrät bereits die Definition des Menschen als zoon politikon oder animal civile. In Staatsgründungsmythen stehen Tiere oft an erster Stelle der Deszendenztafel, Staaten selbst entwickeln sich in Antinomie zu Tieren und benutzen sie zugleich als Vorbilder sozialen Zusammenlebens und Sinnbilder der Herrschaft. So ist das Tier nicht nur Teil politischer Ikonographie und Repräsentation, sondern auch politischer Akteur im Rahmen einer phantastischen Zoologie, die beispielsweise die staatliche Ordnung von wilden Tieren, Horden und Meuten, Ratten oder Werwölfen bedroht erscheinen lässt. Ausgehend von der Hypothese, dass das Wissen von den Tieren an der Entwicklung und Veränderung von politischem Ordnungswissen beteiligt war und ist, lädt die Tagung zu einer interdisziplinären und kontroversen Diskussion über die verschiedenen Ausprägungen einer "Politischen Zoologie" ein.

Vier Zugangswege seien vorgeschlagen: I) Symbolische Operationen: Die erste Sektion widmet sich der Repräsentationsfähigkeit der Tiere im Rahmen einer politischen Symbolik und nimmt Tiere in den Blick, die politische Ikonographien, beispielsweise Emblematik und Heraldik speisen. Welche Verfahren des Ein- und Ausschlusses, welche Visualisierungen sind dabei konstitutiv und welche Rolle spielen Tiere hinsichtlich einer Repräsentation des Nicht-Repräsentierbaren? Welche Rituale und Praktiken - zu denken wäre etwa an das Tieropfer - werden im Zusammenhang einer Konstituierung politischer Entitäten produktiv? II) Artenlehre: Die Artenlehre sammelt Tiere mit modellbildender Funktion, wie z. B. die Phänomene von Schwarm und Meute, Bienenstaat, Schafherde oder auch den Zoo. Welche Ordnungssysteme und Klassifikationen werden für politische Tiere entworfen, auf welche Weise bestimmen sie die politische Einbildungskraft und wie wird mit nicht-klassifizierbaren Tieren verfahren? Welche Parallelen werden aus einer Ethologie der Tiere für den Menschen als soziales Wesen gewonnen? Wo findet die Grenzziehung zwischen Mensch und Tier statt, was bedeutet sie? Welche Definitionen des Humanen folgen daraus? Können diese Klassifikationen als Akt einer politischen Unterscheidungskunst begriffen werden? Welche phantastische Zoologie begleitet, ergänzt und unterläuft dieses Wissen von den Tieren? III) Animals in Mission: Die dritte Sektion untersucht die Techniken und Praktiken, die sich mit den Tieren verbinden und sie zu Funktionsträgern machen. Das betrifft Nutztiere ebenso wie Tiere, die zur Ausspähung im Krieg in schwierigem Gelände oder zum Angriff unter Wasser eingesetzt werden. In diesem Zusammenhang ist auch die wissenschaftliche Experimentalkultur als eine politische Praxis zu begreifen, etwa wenn Tiere zum Austesten von Biosphären (Laika) eingesetzt werden oder ihr Verhalten im Labor unter den Bedingungen von stimulus und response als Modell für (soziales) Lernen verstanden wird. IV) Kulturelle Praxis und politische Form: Die letzte Sektion wählt eine diachrone Perspektive auf die Parallelen und Verschränkungen von Tierwissen und politischem Wissen. Welche Verfahren der Zähmung, Züchtung und Domestizierung, welche Charakterisierungen der Wildnis bestimmen die kulturelle Praxis? Ließe sich eine Theorie der Domestizierung des Tieres bzw. der Selbst-Domestizierung des Menschen entwickeln? Markieren vielleicht Kulturtechniken wie z. B. die Entwicklung des Gatters und der Hürde in diesem Zusammenhang das, was den Menschen von seinen Instinkten trennt?


Begleitend zu der Tagung "Politische Zoologie" findet am 19.4.2006 ein "Moby Dick" gewidmeter Workshop statt. Melvilles Roman spielt einige der oben angesprochenen Modelle auf beispielhafte Weise durch. Der Wal ist als politisches, zoologisches und phantastisches Tier geeignetes Objekt für eine gemeinsame Vorbereitung auf die "Politische Zoologie".



Zum Tagungsprogramm.





Kontakt: Anne von der Heiden

anne.vonderheiden@medien.uni-weimar.de